Seitdem ich unterrichte, ist das so ziemlich die häufigste Frage, die mir gestellt wird. Und in diesem Beitrag erzähle ich dir die Wahrheit über dieses so häufig wiederholte Missverständnis, basierend auf meinen und den Erfahrungen jener, die mit mir trainieren.

Ich höre oft bereits nach der ersten Pilates-Stunde, dass jemand sich leichter und straffer fühlt. Man fühlt sich tatsächlich nicht nur straffer, sondern wird es mit der Zeit auch. Das Training – je nach Tempo und Intensität – hilft auch, den Stoffwechsel derart anzukurbeln, dass selbst nach dem Üben die Fettverbrennung weiterhin aktiv ist. Das kann beim Abnehmen und/ oder Gewicht halten hilfreich sein.

Aber:

Pilates dient nicht primär dazu, um abzunehmen.

Ein regelmäßiges Training kann dir helfen, schlanke und sanft definierte Muskeln zu entwickeln und den Körper zu formen.

Ich selbst bin da sogar ein gutes Beispiel. Trotz immer wiederkehrender Probleme mit der Schilddrüse und der Autoimmunkrankheit Hashimoto – beides Faktoren, die die Gewichtszunahme fördern und das Gewicht halten, äußerst erschweren – half und hilft mir Pilates enorm in Form zu bleiben. Wenn ich jemandem, der mich von früher, mit Anfang 20, nicht kannte, erzähle, dass ich mal ca. 20 kg. mehr als jetzt wog, bekomme ich immer zu hören: „Kann ich mir nicht vorstellen“. Wenn ich dann sage, dass ich vor ein paar Jahren auch über 10 kg. weniger als jetzt wog, bekomme ich das Gleiche zu hören.

Und die Kilos sind eine Schätzung, denn irgendwann habe ich aufgehört mich zu wiegen (aber das ist ein anderes Thema und würde den Rahmen hier sprengen 😉 ).

Als ich deutlich mehr wog, kannte ich Pilates noch gar nicht. Dann habe ich damit angefangen. Und mit dem Thema gesunde, ausgewogene Ernährung. Und die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. War ich glücklicher, als ich noch deutlich weniger wog, als jetzt? Nein, im Gegenteil. Es war immer ein Kampf und mein Körper ist eben nicht dafür gemacht, Größe XS oder 34 dauerhaft zu halten. Es ist viel zu anstrengend, sich mindestens die Hälfte der Zeit mit Detox-Kuren zu beschäftigen und von Karotten und Salat zu leben, nachdem man sich ein Stück Kuchen gegönnt hat. Ich bin doch kein Hase 😉

Frau lächelt in Kamera

 

Für einen langfristigen Effekt, was die Gewichtsabnahme oder das Gewichthalten angeht, ist es also wichtig, das Training mit einer ausgewogenen Ernährung zu verbinden. Immer. Punkt. Aber selbst dann ist es nicht immer ein Garant dafür, dass man die Figur einer Gazelle bekommt. Ohne die Schilddrüsen-Problematik wäre es für mich viel einfacher, schlanker zu sein, noch definiertere Muskeln zu haben. Aber es ist nun mal wie es ist und erst heute, dank Pilates, fühle ich mich wirklich wohl im eigenen Körper. Wie du siehst, spielen also mehrere Faktoren (Genetik, Hormone, Stresslevel etc.) eine große Rolle. Und, was du zum Abnehmen brauchst, kann ganz anders sein, als das, was jemand anderes braucht. Wenn du also wirklich abnehmen möchtest, dann stelle sicher, dass du mit den richtigen Experten zusammenarbeitest (Facharzt, Ernährungsberater) und der Weg zu dir und deinen Bedürfnissen passt.

Versprechen wie „in 28 Tagen schlank mit (Wand-)Pilates“: Meine Meinung

Wandpilates ist in aller Munde und geht man ins Netz oder in die sozialen Medien, springen einem sofort Apps oder Bücher entgegen, die versprechen: In 28 Tagen abnehmen mit Wandpilates oder Wandpilates zum Abnehmen. Die Fitnessindustrie will sich natürlich Trends (hier liest du mehr zum Thema Wandpilates und wieso es für mich gar kein neuer Trend ist) nicht entgehen lassen und will auf diesen Zug aufspringen. Deshalb spielt sie mit den Wünschen und Unsicherheiten vieler Menschen. Und das Thema Gewichtsabnahme gehört nun mal zu den Wünschen und Unsicherheiten vieler. Grundsätzlich finde ich Herausforderungen oder Challenges wie diese gut, denn sie können einige dazu motivieren, etwas Gutes für sich zu tun und zum Beispiel mit Sport zu beginnen. Aber ich frage mich auch: Was passiert dann nach den 28 Tagen? Und was passiert, wenn man gar nicht xy Kilos in dieser Zeit verloren hat, weil eben noch so viele andere Faktoren eine Rolle spielen. Für mich sollte Bewegung ein fester Teil des Alltags werden und nicht nach 28 Tagen wieder beendet sein. Das versuche ich in meinen Stunden immer zu vermitteln.

Kannst du mit Pilates Bauchfett verlieren?

Pilates kann dein Bauchmuskeltraining ersetzen, aber es ist kein Bauchmuskeltraining im klassischen Sinn. Pilates ist ein absolutes Ganzkörpertraining. Pilates ist nicht darauf ausgelegt, bestimmte Körperregionen zu formen, auch, wenn es Übungen gibt, die gezielt manche Regionen fokussieren. Wenn du eine Übung sauber und präzise ausführst, sprichst du nicht nur die einzelne Körperpartie an, sondern den ganzen Körper. Tatsache ist: Im Pilates kommt jede Bewegung aus einer starken Körpermitte. Dazu gehören aber nicht nur die Bauchmuskeln, sondern alle Muskelpartien um deinen Rumpf herum, die deine Wirbelsäule stabilisieren, bis zum Beckenboden, den Gesäßmuskeln und dem Schultergürtel. Und so ziemlich alles, was dein Achsenskelett bildet, also vom Kopfscheitel bis zum Steißbein. Sobald du deine Körpermitte findest und ansteuern kannst, zielen alle Pilates-Übungen darauf ab, diese herauszufordern, indem du die Arme und Beine bewegst 😉

Was viel wichtiger ist als die Gewichtsabnahme

Die Figur und die schlank definierten Muskeln können ein schöner Nebeneffekt im Pilates sein. Aber darum geht es nicht primär. Die vielen anderen Vorteile von Pilates sind meiner Meinung nach wichtiger. Es geht mir um etwas, das auf lange Sicht sehr viel wirksamer ist.

Pilates macht, dass du dich in deinem Körper wohlfühlst. Dass du ein einzigartiges Körperbewusstsein entwickelst. Dass du achtsamer wirst, fernab vom Training. Dass du die Dinge, die du gerne tust (z. B. andere Sportarten) oder Dinge, die du tun musst (Auto fahren, Treppen steigen etc.) viel besser tust. Viel wichtiger als der Abnehmaspekt ist für mich auch, dass eine aufrechte, gesunde Haltung und Körperwahrnehmung trainiert werde. Pilates hilft dir aufrechter und anmutiger zu stehen, zu sitzen und dich zu bewegen. Das überträgt sich auch auf andere Bereiche in deinem Leben. Du wirst stark, körperlich und mental und gehst dadurch aufrechter durchs Leben.

Niemand muss fit und schlank sein, um Pilates machen können. Pilates holt dich dort ab, wo du bist. Bist du nicht fit und eher unbeweglich, wirst du dank Pilates fitter und beweglicher. Bist du bereits sehr fit und beweglich, wirst du dank Pilates stärker.

Pilates ist für mich eine Lebenseinstellung, eine Art Philosophie, die mir dabei hilft, mich wirklich großartig in meinem Körper zu fühlen, mich wirklich stark zu fühlen. Es ist diese Art von Meditation in Bewegung, die man mit der Zeit spürt, die mich wirklich dazu bringt, alles, was in der Welt passiert, hinter mir zu lassen und mich auf mich zu fokussieren und mich selbst an erster Stelle zu setzen. Denn nur wenn es mir gut geht, kann ich auch alles für andere geben, meine ganze Energie, Aufmerksamkeit und mich.

 

Hast du Fragen zu dem Thema oder möchtest von deinen Erfahrungen berichten? Hinterlasse gerne einen Kommentar. Ich freue mich darauf.

 

Fotos: GU/ Manuel Ringlstetter für mein Buch Wandpilates im Gräfe und Unzer Verlag.

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